Carte Blanche: Roberto Domeniconi

Brigitta Grimm03-10-20256 min. Lesedauer

Roberto Domeniconi gehört zu den neun Künstler*innen, die vom Moods eine Carte Blanche für die Saison 24/25 erhalten haben. Die Carte Blanche wird an herausragende Musiker*innen der Schweizer Jazzszene vergeben und bietet ihnen die Möglichkeit, ihr aktuelles Musikschaffen weiterzuentwickeln und Neues auszuprobieren. Roberto Domeniconi erzählt uns, was man an seinen Abenden hören wird und wie sie seine Arbeit als Pianist und Musiker widerspiegeln.

Der erste Abend seiner Carte Blanche-Reihe fand bereits statt: Das elektronisch-jazzige Trio «In Between Plus» bestehend aus Bruno Spoerri, Roger Girod und Julian Sartorius traf auf das energetische Quartett «Rapid Ear Movement» von Roberto Domeniconi, Flo Götte, Steve Buchanan und Francesco Miccolis. Man pendelte durch konventionelle Harmonien, Synth-Melodien, Noise und Groves. Ein Abend, der uns auf die kommenden neugierig macht. Glücklicherweise folgen Ende April gleich drei weitere – ein kleines Roberto Domeniconi Festival.Der vielseitige Musiker, der in Schaffhausen aufgewachsen ist, aber schon seit 1994 in Zürich lebt, stammte zwar nicht aus einer klassischen Musikerfamilie (sein Vater spielte in seiner Freizeit Cello), aber vor allem seien es die vielen Schallplatten gewesen - von Opern über Tango bis Louis Armstrong -, die Domeniconi für die Musik begeisterten. Er nahm früh klassischen Klavierunterricht und übte fleissig: «Ich habe immer gerne Musik gehört und gespielt und damit alle Nachbarn zur Verzweiflung gebracht.» Dank einen Klavierlehrer, der zwar Jazz nicht ausstehen konnte, kam er über die «7 Pièces brèves» von Arthur Honegger auf die moderne Klassik - es habe plötzlich 'klick' gemacht: «Ich habe dann später viel Klassik gespielt. Das hat mich fasziniert.» Es folgten schliesslich Studien bei Irène Schweizer, und am Berklee College of Music bei Ed Tomassi, Herb Pomeroy und anderen. Domeniconi ist aus dem Schweizer Jazz nicht mehr wegzudenken.Die vier Abende, die Domeniconi geplant hat, unterscheiden sich thematisch voneinander. Der oben genannte erste Abend war der elektronischen Musik gewidmet. Der zweite Abend gehört dem Grossen Bären, der dritte der Band «Le String Blö» und zuletzt schliesst seine Carte Blanche-Reihe mit einem akustischen Abend.Die Besetzungen reichen von Solo bis Big Band, die musikalischen Ansätze von komponiert bis ganz frei improvisiert. Gerade letzterer ist ein wichtiger Aspekt seiner musikalischen Arbeit. Denn die grösste Faszination findet Roberto Domeniconi im freien Zusammenspiel, also dort, wo man nicht weiss, was kommt.
«Es geht darum, den Nerv der Musik zu erwischen. »
Roberto Domeniconi
Von Improvisation und «Instant Composing»
«Alle diese Gruppen bewegen sich in ganz verschiedenen Welten. Alle spielen frei, aber es entsteht immer eine ganz andere Musik.» Jede Besetzung sammle ihre eigenen Erfahrungen und erhalte somit ihre eigene Identität und Ästhetik, erklärt Roberto Domeniconi. «Ich versuche immer zu spielen ohne jemanden zu imitieren, einen eigenen Weg zu finden um musikalische Probleme zu lösen... Ja es passiert schon mal, dass man sich wiederholt, aber ich probier’s zu verhindern.» Es sei nicht so einfach wie beim Legospiel, bei dem man 50 Bausteine oder Ideen im Kopf hätte und die beliebig zusammensetzen könne. Es gehe darum, eine Stimmung oder einen Augenblick aufzufassen, ihn zu halten oder weiterzuentwickeln.
«Die Musik ist eigentlich auch nur frei bis zum ersten Ton. Danach ist sie nicht mehr frei. Denn dieser Ton hat schon eine ganze Stimmung und Länge und Höhe. Damit kannst du nicht irgendetwas machen. Die Wege sind dann schon eingeschränkt.» Man könne auch nicht einfach ein Stück oder Solo spielen, das man gut findet, da die Musik sonst auseinanderbreche, mahnt Roberto Domeniconi. Die Musik sei dann eben genau nicht im Moment entstanden. «Es geht darum, den Nerv der Musik zu erwischen. Das ist die Herausforderung. Die Essenz.»
Man brauche dafür ein kollektives Verständnis für die Form, den Klang und dafür, was die Musik braucht – und was nicht, erklärt Roberto Domeniconi. Das verlangt eine ungeheure Aufmerksamkeit der Musiker*innen ab.
Das alles klingt noch zu abstrakt? Wie sich solche Ansätze auf verschiedene Kombinationen an Musiker*innen und verschiedene Grade der Komposition auswirken, kann man natürlich live an den Carte Blanche Konzerten erleben!22.04.2025: Hans Koch Solo
Roberto Domeniconi und Hans Koch kennen sich schon seit 30 Jahren und lernten sich noch in Schaffhausen kennen. Ursprünglich spielten sie in einem Duo, Roberto an Synthesizer und Elektronik, Hans Koch an den Reeds. Er sei für ihn ein «Vorbild für musikalische Konsequenz, also dafür, dass man musikalisch eigenständige Wege sucht und konsequent auf seiner Vorstellung beharrt – und dennoch offen bleibt». Koch ist Orchestermusiker, Klarinettist, Saxophonist «und ein extrem kreativer Improvisator», meint Domeniconi. Er verweist auf den Monat, den das legendäre Trio Koch-Schütz-Studer (mit Martin Schütz am Cello und Fredy Studer an den Drums) in der Schlosserei Nenninger bestritten hatte, an dem sie jeden Abend ein improvisatorisches Konzert spielten. Sich dreissig Tage lang nicht zu wiederholen, sei eine riesige Herausforderung, so Domeniconi. Daraus entstand der Dokumentarfilm «30 Tage in Zürich» von Peter Liechti.
Hans Koch war auch mal kurzzeitig Dirigent des ‹Bären›. Da passt die Kombination an diesem Abend umso mehr!
22.04.2025: Der Grosse Bär
Der Grosse Bär ist viel grösser als man denkt! Dank der langen Bandgeschichte gibt es auch viel über ihn zu erzählen...
Der Grosse Bär (zuerst hiess er noch «Big Bear») ist eigentlich eine Big Band, die aus Impro-Musiker*innen besteht. «Wir sind eigentlich eine Gruppe, die aus verschiedenen Menschen zusammengesetzt ist, solchen die nicht viel frei spielen, solchen die nur frei spielen. Etwas dazwischen. So kamen recht verschiedene musikalische Welten zusammen und es war dann auch eine Herausforderung, diese zusammenzubringen.»
Angefangen habe alles 2011 im Bazillus mit von Peter Landis, Flo Götte und Roberto Domeniconi komponierten Stücken, die viele offene Improvisationsteile enthielten. Komposition und Improvisation sollten beide eigenständig nebeneinander und miteinander funktionieren. Nach und nach begannen sie immer mehr zu improvisieren und als Kollektiv entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Zunächst gab es noch Pläne, später wurden aber auch die Abläufe ganz frei. «Es interessiert mich das am meisten, wenn man in einem Kollektiv aetwas gemeinsam erschafft, das eine Form besitzt und das man sich hätte [als Notentext] rausschreiben können. Das wäre der Idealfall, dass es ‹verhebet›. Wir wollen eigentlich in dem Sinne immer Stücke spielen, ohne dass wir wissen, um welches Stück es sich handelt. Man könnte es ‹Instant-Composing› nennen.»
Nach der Schliessung des Bazillus zog der Bär dann ins Klubi weiter und heute haust er im Institut von Pablo Assandri. Während der Pandemie besuchte Der Grosse Bär das Moods für eine dreitägige Residenz mit anschliessendem Stream, den du hier nachschauen kannst:
27.04.2025: Le String Blö
Die beiden Bandleader und Komponisten Sebastian Strinning und Lino Blöchlinger lernten sich an der Hochschule für Musik in Luzern kennen und begannen 2015 ihre musikalische Zusammenarbeit im Duo. Daraus entstand die Vision, eigene Kompositionen mit viel Spielraum für Improvisation zu kreieren. Als das Duo zum Quintett wurde, war Roberto Domeniconi von Anfang an mit dabei, ursprünglich zusammen mit Christian Weber und Emanuel Künzi, inzwischen mit Urban Lienert und Reto Eisenring. Es dichter, heftiger Sound, gespickt mit introspektiven, ruhigen Momenten.
28.04.2025: Jan Schlegel Solo
Auch Jan Schlegel und Roberto Domeniconi kennen sich schon lange, haben aber erst spät begonnen, miteinander zu musizieren. «Ich finde ihn eine Koryphäe in der Impro-Musik!» Von Jazz über Rock bis Noise – Schlegel kennt man etwa vom Legfek-Trio mit Peter Landis und Urs Blöchlinger, oder von Gabriela Friedlis «Objets trouvés» mit Co Streiff und Dieter Ulrich. Der Bassist wandte sich vor ein paar Jahren aber auch der Oud, der arabischen Laute, zu und hat diese aber bisher nur selten öffentlich gespielt. Dieses Solo-Set ist also eine kleine Premiere.
28.04.2025: Weber–Künzi–Domeniconi
Bei der Improvisationsmusik wird viel und fest zugehört. Man spielt zwar einfach, aber ein gutes, tiefes Vertrauen ist nicht zu unterschätzen. Das wird vor allem bei diesem Trio hör- und spürbar. Piano, Bass und Schlagzeug – akustisch, frisch und voller Energie.

Roberto Domeniconis Carte Blanche-Abende

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