Swiss Radio Days Jazz Series

Georg Modestin11-28-20243 min. Lesedauer

Das in Montreux beheimatete Jazzlabel TCB feiert das fünfzigste Album seiner «Swiss Radio Days»-Reihe in dreissig Jahren.

Der Einsteig war bestechend: Vor dreissig Jahren erschien auf dem in Montreux angesiedelten Jazzlabel TCB der Mitschnitt eines Auftritts der Quincy Jones Big Band vom 27. Juni 1960 im Théâtre de Beaulieu in Lausanne. Bei diesem Orchester handelte es sich um ein veritables All-Star-Ensemble, das einen erfrischend aktuellen Big-Band-Jazz spielte, das aber nicht lange bestehen bleiben sollte, da das Projekt im Folgejahr einen kommerziellen Schiffbruch erlitt. Damit sind die erhaltenen Aufnahmen wichtige Zeugnisse eines historischen Umbruchs, der das endgültige Ende der goldenen Big-Band-Ära mit sich brachte.

Die Mitschnitte entstammen dem Archiv des Schweizer Radios und die Veröffentlichung war von Anfang an als Einstieg in eine Reihe geplant, die bis heute fünfzig Alben hervorgebracht hat. Diese gehen auf Rundfunkaufnahmen zurück, die meist bei Konzerten auf einer grossen Bühne entstanden sind, teilweise aber auch vor einem kleineren Publikum direkt in einem Radiostudio. Die vorliegenden fünfzig Produktionen bieten in ihrer Gesamtheit einen Gang durch die Jazzgeschichte, zumindest so, wie sie sich im Lichte der Auftritte in helvetischen Konzertsälen darbietet.

Die chronologisch am weitesten zurückliegenden Aufnahmen gehen in die unmittelbare Nachkriegszeit zurück, als sich das Orchester von Don Redman 1946 in Genf die Ehre gab. Die historische Tiefe des Ereignisses ermisst sich dadurch, dass der 1900 geborene Redman zur Pioniergeneration des Jazz gehörte und gegen Ende der 1920erJahre die Grundlagen des Big-Band-Vokabulars entwickelte. 1949 war die Reihe an Coleman Hawkins, der wie kein anderer die frühe Geschichte des Jazzsaxophons geprägt hat und der in der zweiten Hälfte der 1930erJahre in Europa, darunter auch in der Schweiz, weilte, sowie an Bill Coleman und Don Byas. In den Fünfzigerjahren beehrten Benny Goodman, Nat King Cole, Oscar Peterson, Lionel Hampton, Count Basie, Sonny Rollins und Horace Silver die Schweiz, im folgenden Jahrzehnt – wir begnügen uns mit ausgewählten Namen – Art Blakey, Miles Davis, Ray Charles, Cannonball Adderley, Dave Brubeck oder das Orchester von Thad Jones und Mel Lewis.

Wir brechen an dieser Stelle das Namedropping ab, um eine grössere Teilmenge unter den fünfzig Alben anzusprechen, nämlich die Einspielungen, die direkt im Rahmen von Radiokonzerten entstanden sind, die nach einer wiederkehrenden Formel konzipiert waren: Ein Haustrio empfing einen illustren Solisten, vielfach einen Amerikaner – so Dexter Gordon, Johnny Griffin, Phil Woods, Art Farmer oder Benny Bailey –, aber auch Europäer wie Albrecht Mangelsdorff, Enrico Rava oder Alan Skidmore. Unter den Eingeladenen finden sich ebenfalls Schweizer wie Franco Ambrosetti oder Andy Scherrer und – als letzte Untergruppe – vereinzelt Frauen. Das zwischen 1964 und 1982 in diesem Rahmen aktive Jazz Live Trio bestand in wechselnden Besetzungen um den Pianisten Klaus Koenig; dessen Stammpartner waren Isla Eckinger und Peter Frei am Bass sowie die Schlagzeuger Pierre Favre und Peter Schmidlin.

Letzterer, im Jahr 2015 zu früh verstorben, muss noch in einem weiteren Zusammenhang genannt werden, war er es doch, der 1991 das Label TCB begründete und bis zu seinem Tod führte – eine Aufgabe, die seither von seiner Witwe Barbara Frei Schmidlin im Geiste des Gründers weitergeführt wird. Es ist daher eine schöne Geste, dass die fünfzigste «Swiss Radio Days»-Produktion dem zeitlosklassischen Jazz des Trios Dado Moroni (p), Reggie Johnson (b) und eben Peter Schmidlin (dr) zugedacht ist, das im Juli 2009 in Morges aufspielte.

Zwei der jüngsten Produktionen der «Swiss Radio Days»-Reihe erscheinen im Übrigen auch in Vinyl, in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Label Dot Time Records, das über eine eigene Reihe mit historischen Aufnahmen verfügt: Es geht um die Nummern 48 – Louis Armstrong mit seinen All Stars im Jahr 1952 – und 49: Letztere fängt das Zwiegespräch ein, das der Pianist Marc Copland im September 2022 mit einer vorgängig eingespielten Version seiner selbst führte, mit der er live in einen vielschichtigen musikalischen Dialog trat.

Georg Modestin, jazz'n'more

Dieser Artikel erschien in der Nov/Dez 2024-Ausgabe des Jazz'n'more-Magazins. Mehr Infos & Abos: jazznmore.ch

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