Pongo: Vom Bahnsteig auf die Weltbühne

Marian Märki11-12-20253 min. Lesedauer

Engracia Domingos da Silva, bekannt als Pongo, hat sich aus schwierigen Verhältnissen in Lissabon zur gefeierten Afro-Fusion-Künstlerin gemausert. Ihre Musik verbindet angolanische Wurzeln mit globalen Beats – und erzählt eine Geschichte von Überleben und Selbstermächtigung.

Sie zählt heute zu den herausragendsten Afro-Fusion-Künstler*innen unserer Zeit, hat die Bühnen der weltweit grössten Festivals erobert und mit der Formation «Buraka Som Sistema» den angolanischen Musikstil Kuduro international bekannt gemacht – die Rede ist von Engracia Domingos da Silva, besser bekannt als Pongo.Doch ihr Weg dorthin war alles andere als leicht. 1992 in Luanda, der Hauptstadt Angolas, geboren, floh Pongo mit ihrer Familie vor dem Bürgerkrieg nach Portugal. Anfang der 2000er Jahre liess sich die Familie in Lissabon nieder. Dort sah sich die junge Pongo nicht nur mit offenem Rassismus konfrontiert, sondern auch mit einer schwierigen familiären Situation. Ihr Vater war streng und isolierte sie und ihre Schwestern vom sozialen Leben. Als sie zwölf Jahre alt war, hielt sie die Umstände nicht mehr aus und sprang aus dem siebten Stock ihres Wohnhauses – ein dramatischer Wendepunkt in ihrem Leben.Dieser Vorfall veränderte alles. Zum einen erhielt sie dadurch ihren Künstlernamen: Nach dem Sturz, bei dem sie sich unter anderem das Bein brach und zeitweise nicht mehr laufen konnte, gab ihr Vater ihr den Spitznamen Pongo – in Anlehnung an die kongolesische Sängerin M’Pongo Love, die nach einer Polio-Erkrankung ebenfalls gehbehindert war. Zum anderen war dies der Beginn ihrer musikalischen Reise.Während ihrer Reha musste Pongo nämlich regelmässig mit dem Zug zu ihren Physioterminen fahren. Auf dem Bahnsteig begegnete sie der Tanzgruppe Denon Squad, die Kuduro performte. Die junge Pongo war fasziniert. «Ich war immer da, ganz schüchtern, und träumte davon, mitzumachen. Eines Tages riefen sie mich zu sich und baten mich, ihnen einen Tanzschritt zu zeigen», erzählte sie später der Plattform Songlines. Ihr Talent überzeugte – sie wurde Teil der Gruppe und begleitete sie bald ins Studio. «Es war nur zum Spass. Ich war Tänzerin, keine Sängerin.»Doch das Schicksal hatte andere Pläne. Eine Kassette mit ihren Aufnahmen gelangte zur Electro-Kuduro-Band Buraka Som Sistema. Die Mitglieder waren begeistert und luden die damals 15-Jährige ein, bei ihnen mitzuwirken. Pongo zögerte nicht: «Ich ging hin und nahm meinen Song ‚Kalemba (Wegue Wegue)‘ auf, der von den Streetdance-Wettbewerben meines Vaters und der Strasse handelt, in der ich in Luanda aufgewachsen bin.»
Der Song wurde ein weltweiter Hit. Er tauchte in Videospiel-Soundtracks wie «Need for Speed: Shift» und «FIFA 10» auf und wurde auf YouTube millionenfach gestreamt. Doch vom Erfolg profitierte Pongo kaum. Tantiemen für ihren selbst geschriebenen und gesungenen Song? Fehlanzeige. «Damals hatte mein Vater uns verlassen, und ich trug viel Verantwortung. Ich dachte, ich könnte meiner Familie helfen, aber ich war naiv», sagt sie rückblickend. Nach zwei Jahren verliess sie die Band und arbeitete unter anderem als Reinigungskraft, um ihre Familie zu unterstützen.Eines Tages, während sie ein Hotelzimmer putzte, hörte sie im Radio ihren Song «Wegue Wegue». Das war der Moment, in dem sie beschloss, zur Musik zurückzukehren. Ihr Timing war perfekt: Die Musikszene in Lissabon war im Wandel, geprägt von neuen Technologien und Einflüssen aus postkolonialen Ländern wie Angola, Guinea, Kap Verde und Mosambik.2018 feierte sie mit ihrer ersten EP «Baia» ein fulminantes Comeback. Darauf führte sie Kuduro in neue Richtungen, indem sie karibischen Zouk und brasilianischen Samba einfliessen liess. 2019 wurde sie beim französischen Festival Fête de la musique von Präsident Emmanuel Macron empfangen und als «Diva des Kuduro» gefeiert. Mit dem Song «Uwa» aus dem Jahr 2020 erweiterte sie ihre Fangemeinde und schärfte ihre Botschaft. «In meinen Songs geht es um Vielfalt, Freiheit, Unabhängigkeit. Ich glaube an Positivität», sagte sie 2023 in einem Interview.
Auch ihre COLORSxSTUDIOS-Performance von «Bruxos» (Hexen) aus dem Jahr 2021 wurde ein viraler Erfolg. Seither verbindet Pongo Kuduro mit Afrobeats, Favela Funk und Afrofunk zu einem ganz eigenen Sound. Damit unterstreicht sie ihr künstlerisches Credo, Genres und Sprachen zu vermischen, um kulturelle Grenzen zu überwinden – und beweist, dass sie die wahre «Diva des Kuduros» ist.

Pongo im Moods

  • LusoSonic Festival

    • Pongo

      Global SoundsElectronic / PartyAfricaElectronic