Oscar Petersons Easter Suite: Wenn eine Jazzlegende Ostern erklingen lässt
Marian Märki04-16-20252 min. Lesedauer
Oscar Peterson war eine Lichtgestalt des Jazz und wird als einer der besten Jazzpianisten aller Zeiten angesehen. Der Kanadier, der von Duke Ellington als «Maharaja der Tasten» bezeichnet wurde, hat 1984 etwas ganz Besonderes zu Ostern versteckt.
Ostern bedeutet in der heutigen Zeit ein verlängertes Wochenende, Stau am Gotthard, Eier und Schokohasen – und irgendwas mit Jesus. So ist es zumindest in meiner Wahrnehmung. Dieses irgendwas – namentlich die Leidensgeschichte Jesu – wurde von der Jazzlegende Oscar Peterson 1984 in der neunsätzigen Easter Suite musikalisch einzigartig umgesetzt.
Peterson, dekoriert mit sieben Grammys und zahlreichen weiteren Auszeichnungen, komponierte die Suite für das britische Fernsehen. Die «Easter Suite» galt lange als Geheimtipp unter Jazzfans, denn sie wurde nur einmal im TV aufgeführt – quasi ein musikalisches Osternestli. Vor fast 20 Jahren dann wurde eben diese Nestli vom Jazz-Trio Kordes, Terzlaff & Godejohann wiederentdeckt und neu aufgenommen. Und das ist auch gut so. Denn bei Petersons «Easter Suite» darf man ruhig Superlative verwenden, wie ich finde. Es ist ein höchst inspirierendes Werk und unterstreicht Petersons Fähigkeit, alles aus einem Jazztrio rauszuholen. Hinzukommt, dass die Kreuzigung von Jesus musikalisch bereits mehr als einmal thematisiert wurde (man denke da beispielsweise an Bach). Dennoch gelingt es dem «Tastenmaharaja», dem Ganzen seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Kraftvolle Musikalität, Zurückhaltung und natürlich auch Improvisation zeichnen diese Suite aus. Was mir besonders auffällt: Alle neun Stücke der «Easter Suite» versuchen, ein bestimmtes Gefühl hervorzurufen oder einen Dialog in der Passionsgeschichte anzudeuten. Zum Beispiel ist das Eröffnungsstück «The Last Supper» eine Solo-Klavierbalade, die eine düstere Stimmung hervorruft – passend zu Jesus Abschied von den Aposteln. Zudem sind die Melodien teils sehr eingängig, fast schon Ohrwürmer. Beispielsweise bei «The Garden of Gethsemene» singt der Bass förmlich die Melodie in meine Ohren. Das sanft swingende Stück wirkt fast so, als hätte es einen Begleittext, der einfach nicht gesungen wird. Wenn man das Werk durchhört, fällt einem zudem auf, wie einfach das Trio, bestehend aus Peterson, Bassist Niels-Henning Ørstedt Pedersen und Drummer Martin Drew, zwischen den Stimmungen hin- und herwechseln kann. So ist «Denial», eine swingende Upbeat-Nummer, ein Abbild des Trubels rund um die Gefangennahme Jesu, während «Why Have You Betrayed Me?» eine weiche, klagende Melodie an den Tag legt und bei «The Trial» dann wieder durch martialische Klänge abgelöst wird. Die «Easter Suite» ist also alles andere als ein Osterei, das vergessen wurde. Sie ist vielmehr ein süsser Goldhase, der jedes Jahr erneut aus dem Gebüsch blitzt und unsere Aufmerksamkeit verdient.