«Aino Salto wird vermutlich nicht die Welt verändern. Aber im besten Falle die Perspektive, aus der wir sie betrachten.»
Dass Musiker:innen manchmal Erlebtes verarbeiten, ist kein Alleinstellungsmerkmal. Aber die Vehemenz, der Scharfsinn und die Fähigkeit, auch den unangenehmsten Dingen mit (schwarzem) Humor zu begegnen, die hat Aino Salto inne wie kaum eine andere. Die in Frankreich geborene, in Leipzig aufgewachsene und heute in Bern lebhafte Musikerin Sonia Loenne hatte jahrelang das Gefühl, «etwas musikalisches erbrechen zu müssen», wie sie dies mit eigenen Worten beschreibt. «Irgendwas musste raus. Was das allerdings sein sollte, war nicht klar. Bis ich im Herbst 2023 die Musik für mein erstes Album in die Tasten heulte». Zum Glück. Denn «Imagine People as Adolescent Birds» ist eine Sammlung von sieben kraftvollen Liedern, es ist Musik über Schwesternschaft und feministische Pilz-Netzwerke («Mother Mushroom»), Wut («Anger») und das das Leben als das Gefühl, wenn man beim Autofahren Stromleitungen betrachtet («Powerlines»). Die Musik kommt aus tiefstem Herzen, aus Flügelhorn, Kontrabass, Keys und Schlagzeug, aus voller Kehle. Aus jeder Silbe tropft das Erbrochene heraus, eine Mischung aus Angst, Naivität, hoffnungslosem Optimismus und Himbeerduft.