Ausweitung der Klangzone

Frank von Niederhäusern09-27-20243 min. Lesedauer

Im Umfeld der Jazzakademien entstehen immer öfter sogenannte Large Ensembles. Auch gestandene Musiker schwören auf dieses Format, das letztlich für die Lebendigkeit aktueller Musik steht.

Mit Ensembles kennt sich der geübte Kulturkonsument bestens aus. In Theaterhäusern arbeiten Schauspielensembles, in Konzertsälen spielen Kammer- und Streichensembles, und mancher Institution ist die Idee der intensiven Zusammenarbeit derart wichtig, dass sie zur Namensnennung verwendet wird wie beim Ensemble für Neue Musik Zürich, beim Ensemble Proton in Bern oder dem jungen Ensemble Helix in Luzern.Kunst-Ensembles können von unterschiedlicher Grösse und Ausrichtung sein. So gerät unweigerlich ins Stutzen, wer auf ein Large Ensemble trifft. Muss man sich die Ensemblearbeit bei diesen Bands, die vornehmlich im Jazzumfeld immer zahlreicher in Erscheinung treten, besonders intensiv vorstellen? Oder spricht die Fachwelt ab einer gewissen Besetzung erst von Large Ensembles? Chris Wiesendanger schmunzelt. Der Zürcher Pianist, Komponist und Bandleader wird demnächst erste Konzerte mit seinem neuen Large Ensemble geben. «Für mich war diese Benennung ein Arbeitstitel, der sich dann verselbständigt hat», verrät er. Nach einer Phase zahlreicher Solokonzerte habe er den Drang verspürt, sich vermehrt wieder inspirieren zu lassen von Kolleginnen und Kollegen und mithin nach neuen musikalischen Kooperationen zu suchen, sagt der 58-jährige Jazzer.Ähnlich klingt es bei Sarah Chaksad. Die 41-jährige Saxerin aus Basel hatte sich einen Namen mit grossem Orchestra gemacht, ehe sie letztes Jahr ihr 13-köpfiges Large Ensemble präsentierte. «Diese Grösse ermöglicht es mir, orchestral zu denken, den Musikerinnen und Musikern aber auch Gestaltungsraum zu lassen. Dadurch entsteht eine Vielzahl von Möglichkeiten, Klangfarben zu kombinieren.» Diese musikalische Buntheit erreichen andere Large Ensembles durch den Einbezug «fremder» Klangsprachen wie Klassik oder Folklore. So hat die Zürcher Bratschistin Gina Été unlängst mit einem Large Ensemble überrascht, das Streichmusik mit Elektropop in Verbindung bringt. Der Genfer Gitarrist Louis Matute spielt mit seinem nur sechsköpfigen Large Ensemble einen pulsierenden Jazz, der auch nach der zentralamerikanischen Heimat seines Vaters klingt. Als aktuellstes Beispiel ist Louise Knobil zu nennen: Die vife Kontrabassistin aus Lausanne weitet den fidelen Chansonjazz ihres Trios demnächst zum Large Ensemble.
Chris Wiesendanger umschreibt die Musik seines Nonetts wie folgt: «Wir mischen tanzbare Nummern, die den frühen Swing der 20er- und 30er-Jahre aufnehmen, mit Elementen der Neuen Musik, aber auch brasilianischer Folklore.» Entsprechend habe er sein Ensemble mit Musikern verschiedener Herkunft und Eigenheit besetzt. Er könne sich vorstellen, dass manche Bandleader von Large Ensembles sprechen, um sich eine solche stilistische Breite offenzuhalten. Aus Wiesendangers Wortwahl lässt sich folgern, dass so maches offen bleibt bei diesem trendigen Format. Tatsächlich gebe es keinerlei Definition von Grösse oder Besetzung, betont der Jazzer, der auch als Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK lehrt. Im Gegenteil: «Wer die Bezeichnung Big Band hört, hat eine klare Vorstellung, wie deren Musik zu klingen hat. Für das Format Large Ensemble gilt dies nicht.»Klingen Big Bands seit 100 Jahren in etwa gleich, haben ab den 70er-Jahren die Jazz Orchestras neue musikalische Perspektiven geöffnet. Das Format Large Ensemble ist fast gleich alt, betont Jazzdozent Wiesendanger und verweist auf Kenny Wheeler und Steve Reich, die originelle Kompositionen für das kleine Grossformat schrieben. Originalität und Flexibilität hebt auch Sarah Chaksad hervor, wenn sie sagt, sie wolle mit ihrem Large Ensemble «neue Klänge generieren.»Die Konjunktur von Large Ensembles führt Chris Wiesendanger noch auf einen weiteren Aspekt zurück, den er bei seinen Studenten beobachtet: «Heute besteht ein ganz anderes Bewusstsein fixen Bezeichnungen und stilistischen Schubladen gegenüber. Meine Studierenden machen lieber <Musik> als <Jazz>.» Diese Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten gelte es zu unterstützen, betont er. «Damit bleibt die Musik beweglich.»Frank von Niederhäusern, kulturtippDer Beitrag erschien in der aktuellen Ausgabe des Kulturtipp. Mehr Infos und Abo's auf kulturtipp

Large Ensembles live im Moods

    • Chris Wiesendanger Large Ensemble

      JazzContemporary Jazz
  • Album Release Tour «Together»

    • Sarah Chaksad Large Ensemble

      Jazz